German Wings Absturz – mehr Besonnenheit bitte

Auf Anderwelt Online, von Peter Haisenko, 27. März 2015.

Es schockiert mich, mit welcher Leichtigkeit ein junger Mann zum Massenmörder erklärt wird. Wie kann ein französischer Staatsanwalt, der bislang nur über Teilinformationen verfügt, einen unbescholtenen Menschen unter Preisgabe seines Namens öffentlich des Massenmordes bezichtigen? Wie kann er damit dessen Familie den Medien zum Fraß vorwerfen? Die Erklärungen dieses Staatsbeamten zeigen vor allem eines: Gesichertes Wissen gibt es noch nicht, dafür aber noch jede Menge ungeklärte Fragen.  

Welche Fakten liegen vor? Der A 320 hat die Reiseflughöhe von 38.000 ft. verlassen, ist in gerader Linie in ungewöhnlich steilem Sinkflug direkt auf die französischen Alpen zu geflogen und dort in etwa 2.000 Metern Seehöhe mit ungeheurer Geschwindigkeit zerschellt. Bei dem Aufschlag wurde das Flugzeug geradezu zerschreddert, in kleinste Teile zerrissen, die über eine weite Fläche verstreut sind. Der Voice-Recorder – also das Gerät, auf dem die Geräusche innerhalb des Cockpits aufgezeichnet sind – wurde in stark beschädigtem Zustand geborgen und es gibt eine erste, vorläufige Auswertung. Bezüglich des Flight-Recorders – also das Gerät, auf dem alle technischen Parameter aufgezeichnet sind – hat es widersprüchliche Meldungen gegeben … //

… Verwirrspiel um den Flight-Recorder: … //

… Auch ein bewusstloser Mensch atmet: … //

… Was war los mit dem Autopilot?:

  • Dann die technischen Details. Es ist mir unerklärlich, wie dem Voice-Recorder entnehmbar sein könnte, dass der Copilot aktiv die Höhenvorwahl auf 100 ft. eingestellt hat. Diese Information könnte bestenfalls, wenn überhaupt auf anderem Weg erhältlich sein. Darüber schweigt sich der französische Beamte aus. Weiter: Das Flugzeug ist mit dem Autopilot in den Boden geflogen worden. Hier wird es gruselig, denn da passt nichts mehr zusammen. Weder die hohe, weitgehend konstante Sinkgeschwindigkeit, noch die extrem hohe Vorwärtsgeschwindigkeit bewegen sich in dem Rahmen, den der Autopilot abdecken kann. Jedenfalls nicht, ohne dass aktiv eingegriffen wird, indem die Speedbrake (die Stör-brems-klappen auf der Flügeloberseite) aktiviert werden.
  • Externe Aufzeichnungen des Absturzweges weisen eine Geschwindigkeit nahe 400 Kt. (ca. 740 Km/h) Groundspeed aus – bis zum Aufschlag. Spätestens unter 10.000 ft. ist diese Geschwindigkeit jenseits dessen, was der Autopilot zulassen kann. Diese Geschwindigkeit ist viel höher, als das Flugzeug seinem Design entsprechend in dieser Höhe fliegen darf. Es muss also angezweifelt werden, dass in dieser Höhe der Autopilot noch am Ruder war. Andererseits wird aber nicht berichtet, dass auf dem Voice-Recorder der unüberhörbare Warnton registriert ist, der die Piloten warnt, wenn sich der Autopilot (wegen Überforderung) verabschiedet. Die Frage bleibt also offen, ob und wenn ja, ab wann der Autopilot abgeschaltet war.

Jede Menge Ungereimtheiten zum Unfallablauf:

  • Im ersten Statement wird nicht darüber berichtet, ob auf dem Voice-Recorder eine „Terrain-Warnung“ aufgezeichnet ist. Die muss es aber gegeben haben, und zwar wirklich laut und unüberhörbar. Moderne Flugzeuge verfügen über Systeme, die harte Warnungen ausstoßen, sobald sich ein Flugzeug dem Boden gefährlich nähert, ohne in Landekonfiguration zu sein (heißt: Fahrwerk draußen, Landeklappen in Landeposition). Unter den Bedingungen, wie sich dieser Airbus dem Bergland genähert hat – Sinkgeschwindigkeit, Vorwärtsgeschwindigkeit – hätte diese Warnung spätestens unterhalb 12.000 ft. ansprechen müssen. Fragen über Fragen, alle unbeantwortet. Wie kann sich da jemand erdreisten, einen unbescholtenen jungen Mann zum Massenmörder abzustempeln?
  • Ich könnte mich hier noch über weitere Ungereimtheiten auslassen, was den Hergang dieser Katastrophe anbelangt. Für den Augenblick will ich es aber mit der Feststellung bewenden lassen, dass es unverantwortlich ist, derartige Aussagen über einen Unfallablauf zu treffen, „Schuldige“ ans Kreuz zu nageln, bevor nicht zumindest der Flight-Recorder ausgewertet ist. Die neuesten Meldungen belegen, dass nicht ausgeschlossen werden darf, dass die Verantwortlichkeit für diese Katastrophe an anderer Stelle zu suchen ist.

Lückenhafter Werdegang des Copiloten: … //

… Krankheitsbedingt flugunfähig – und doch im Cockpit!: … //

… Vorschnelle Schuldzuweisungen sind nicht angebracht:

  • Unter diesem gravierenden Aspekt muss die vorschnelle Schuldzuweisung zurückgewiesen werden. Auch für die Beurteilung des möglichen Unfallablaufs müssen gänzlich neue Parameter einbezogen werden. Stand der Copilot unter Medikamenteneinfluss, vielleicht Sedativa gegen Depressionen? Erscheint es angesichts der Erkenntnisse um den Gesundheitszustand des jungen Mannes nicht wahrscheinlicher, dass er eben nicht Herr seiner Sinne war, als das Unglück passierte? Wir haben nicht einmal gesichertes Wissen darüber, ob der Kapitän nicht doch im Cockpit war, aber einen Herzinfarkt erlitten hat, also handlungsunfähig war. Könnte diese Stresssituation den eigentlich flugunfähigen Copilot paralysiert haben? Waren es Flugbegleiter, die erkannt haben, dass hier etwas schrecklich daneben geht und verzweifelt Zutritt zum Cockpit gesucht haben?
  • Ich kann diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wenig beantworten, wie irgendjemand sonst. Ich sah mich auch in den letzten Tagen nicht in der Lage, irgendeine Vermutung der Öffentlichkeit zuzumuten. Umso mehr verurteile ich den französischen Staatsanwalt, der einen möglicherweise tragisch unschuldigen, weil kranken und vom Arbeitgeber dennoch eingesetzten jungen Mann als Massenmörder verurteilt. Genauso oder noch heftiger verurteile ich die großen Massenmedien, die ohne Nachdenken und vernünftige Recherche ein Kesseltreiben auf diesen Mann und seine Familie veranstaltet haben. So bleibe ich nicht nur in diesem Fall bei meiner Forderung:
  • Mehr Besonnenheit bitte!

(ganzer Text).

2 Video-Interviews – KenFM am Telefon mit Peter Haisenko:

  • Zum Flug 4U9525: wir wissen nichts, 32.43 min, von wwwKenFMde, am 29. März 2015 auf YouTube hochgeladen: Die Faktenlage zum Absturz von Flug 4U9525 ist bis heute extrem dünn …;
  • Zum Absturz von Germanwings 4U9525, 24.54 min, von wwwKenFMde, am 26. März 2015 auf YouTube hochgeladen: … eine erste offizielle Theorie: Während der Pilot auf der Toilette war, hat der Ko-Pilot sich im Cockpit verbarrikadiert und die Maschine vorsätzlich zum Absturz gebracht. Diese offizielle Beschreibung des Unfallhergangs kommt ohne die Daten des Flight-Recorders aus, und steht damit auf wackeligen Füßen. Wir sprachen mit Peter Haisenko, der 30 Jahre für die Lufthansa geflogen ist, über das Unglück in Südfrankreich und seine offenen Fragen, die sich aus den aktuellen Ermittlungen ergeben. Haisenko hat Zweifel, die mit immer weiter bekanntwerdenden Details wachsen …;

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